Wissenswertes zum 47. Breitengrad
Sicher gibt es auffälligere Breitengrade: der Äquator markiert den Breitengrad Null, die Pole haben eine Breite von 90 Grad, die Wendekreise liegen bei 23.5 und die Polarkreise bei 66.5 Grad. Für die kleine Schweiz ist der 47. nördliche Breitengrad dennoch etwas Besonderes. Er ist der einzige (ganze) Breitenkreis, der unser Land (fast) ohne Unterbruch von Ost nach West durchzieht.
Was sind Breitenkreise?
Um einen Ort exakt beschreiben zu können verwendet man Koordinaten. Für Pläne und kleinmassstäbliche Karten besonders geeignet sind die cartesischen Koordinaten, schnurgerade laufende und sich rechtwinklig kreuzende Linien, die fortlaufend nummeriert werden. Will man mit diesem Verfahren die ganze Erde erfassen, ergeben sich gewisse Schwierigkeiten. Da die Erde kugelförmig ist, müssen die im Nahbereich geraden Linien gebogen und in Kreise überführt werden. Breitenkreise sind von der Natur gewissermassen vorgegeben. Infolge der Erddrehung vollführt nämlich jeder Punkt auf der Erde eine Kreisbewegung. Der Umfang und der Radius der Breitenkreise wachsen mit zunehmender Entfernung von den Polen, bis sie am Äquator ihre grössten Werte annehmen.
Was für die Erde gilt, gilt auch für den Himmel.
Der Himmel umschliesst die Erde wie eine zweite Kugel. Der Erdäquator wird so in der Vorstellung zum Himmelsäquator, die irdischen Pole werden zu den Himmelspolen. Bei unbedecktem Himmel ist der nördliche Himmelspol unschwer auszumachen, den Polarstern haben wir alle schon gesucht und gefunden. Mit dem auffinden des Himmelsäquators ist es schon schwieriger. Zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche folgt die Sonne auf ihrer täglichen Bahn nahezu dem Himmelsäquator. Der geographischen Breite entspricht am Himmel die Deklination. Ein Blick auf die Sternkarte zeigt uns, dass es einige sehr schöne und bekannte Sternbilder im Bereich von Deklination 47 Nord gibt: Leier, Andromeda, Perseus, Fuhrmann. Im Abstand von wenigen Monaten kulminieren sie in dieser Reihenfolge senkrecht über unseren Köpfen.
47. Breitengrad und Jahreszeiten.
Im Winter sind bei uns bekanntlich die Tage kurz, geht die Sonne spät auf, wirft auch mittags relativ lange Schatten, vermag die Erde kaum aufzuwärmen und geht früh schon wieder unter. Im Sommer sind die Tage lang, steht die Sonne mittags hoch und heizt tüchtig auf, wirft aber nur noch kleine Schatten, so dass Empfindliche diesen in der Hitze doppelt suchen. Je mehr man nach Norden geht, desto ausgeprägter werden die Phänomene. Jenseits des nördlichen Polarkreises gibt es Tage, an denen die Sonne nie unter, aber auch solche, an denen sie nie aufgeht. In Äquatornähe sind die Tage dafür über das ganze Jahr praktisch gleich lang. Zweimal im Jahr bei der Tag- und Nachtgleiche überschreitet die Sonne den Himmelsäquator. Da die Land- und Wassermassen im Frühjahr aber nur langsam sich erwärmen und im Herbst verzögert auskühlen, stimmen die astronomischen Daten und die meteorologischen Jahreszeiten nicht ganz überein.
47. Breitengrad bei uns und in andern Ländern.
Folgt man von Schwanden in östlicher Richtung dem 47. nördlichen Breitengrad, so geht’s über Sool, das obere Mülibach- und Chrauchtal südlich des Spitzmeilen durch nach Bad Ragaz und zum Rhein. Bei Partnun oberhalb St. Antönien wird die Grenze zu österreich überschritten, bei Samnaun allerdings nochmals kurz berührt. Weitere einprägsame Orte und Länder sind der Brennerpass, Graz, Ungarn, die Mongolei und die Halbinsel Sachalin.
In Richtung West läuft der 47. nördliche Breitengrad über Guppenalp, Glärnisch, Pragelpass, Brunnen, Napf und Neuenburg zur Landesgrenze, um dann Frankreich und jenseits des Atlantiks Teile von Kanada mit der Stadt Quebec zu queren. Von den im Osten gelegenen US- Bundesstaaten wird nur Maine gestreift. Im mittleren und eigentlichen Westen liegt jeweils ein zwei Breitengrade oder rund 220 km breiter Streifen Land der betreffenden Bundesstaaten nördlich des 47. Breitenkreises, die Grenze zu Kanada verläuft nämlich dort über weite Strecken parallel zum 49. Breitengrad.
Am südlichen 47. Breitengrad trifft man hingegen nur wenige Länder: In Südamerika sind es Argentinien und Chile, die an dieser Stelle bereits ziemlich schmal sind. Die Südspitze von Neuseeland wäre noch zu erwähnen. Auf der nördlichen Hemisphäre der Erde ist eine ungleich grössere Landmasse zu finden als auf der südlichen. Und wenn man in Schwanden ein Loch in die Erde graben würde, träfe man am andern Ende auf Wasser. Zu den nächstgelegenen Eilanden dieses Punktes gehören Bounty- und Antipodenislands.
Der Stein an der Kantonsstrasse
Die Kerben am Stein wollen auf bestimmte geometrische Zusammenhänge aufmerksam machen: Die Senkrechte und die Waagrechte sind uns aus dem Alltag vertraut. Die Senkrechte zeigt zum höchsten Punkt am Himmel, dem Zenit, bzw. zum Erdmittelpunkt. Die Waagrechte weist zum Horizont, nach Süden und Norden. Am 47. Breitengrad steht der Polarstern 47 Grad über dem Horizont. Da die Drehachse der Erde mit dem Äquator einen Winkel von 90 Grad bildet, beträgt der Winkel zwischen Himmelsäquator und Horizont am 47. Breitengrad 43 Grad: Die beiden Winkel verhalten sich zueinander komplementär.
Tafeltext und Markierung am Wanderweg
“Sie stehen auf dem 47. Breitengrad der Nordhalbkugel unserer Erde. Es ist dies der einzige Breitengrad, der die Schweiz nahezu ohne Unterbruch durchquert.
Die senkrechte Kerbe (1) in der Mitte der gegenüberliegenden Mauer und die Markierung auf dem Weg folgen dem Verlauf des 47. Breitengrades.
Die schräge Kerbe flussabwärts (2) führt zum Polarstern, die schräge Kerbe flussaufwärts (3) zeigt zum Schnittpunkt des Himmelsäquators mit der Mittagslinie, dem Meridian. Der Winkel (4) zwischen der Horizontalen unten und dem Polarstern beträgt 47 Grad.
Nach Westen verläuft der 47. Breitengrad über die Guppenalp nach Neuchâtel, Nevers (Frankreich) und durch Quebec (Kanada). Nach Osten zieht der Breitengrad über Sool nach Graz (Österreich), Ulan Bator (Mongolei) und die Südspitze der Insel Sachalin (Russland).
Der Verlauf des 47. Breitengrades wurde mit dem Bessel-Ellipsoid 1841 bestimmt.”